Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Leuchtturmprojekt Joint Austrian In-flight Icing Research Venture 2020+, kurz JOICE, stellte bei seiner Abschlusskonferenz Ergebnisse aus mehr als drei Jahren Forschungsarbeit vor.
Die 15 Projektpartner von JOICE, darunter das Institut Luftfahrt / Aviation der FH JOANNEUM als Projektleader, haben gemeinsam die Technologie im Bereich Luftfahrzeugvereisung und Enteisung in Österreich weiterentwickelt. Im Projektfokus standen mit Drohnen und Kleinflugzeugen zwei Flugzeugtypen, für die der Flug unter Vereisungsbedingungen besonders sicherheitskritisch ist: Sogenanntes In-flight icing, das von Vereisung am Boden unterschieden werden muss, tritt auf, wenn ein Luftfahrzeug bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts durch eine Wolke fliegt, in der sich flüssige Wassertröpfchen befinden. Diese Tröpfchen prallen auf die Außenhaut des Luftfahrzeugs und frieren dort aufgrund des „Aufprallschocks“ schlagartig fest. Es bildet sich dabei eine teils sehr schnell wachsende Eisschicht, wobei bestimmte Stellen besonders viel Eis ansetzen – etwa die Flügel im Bereich der Vorderkante. Diese Eisschicht kann die aerodynamischen Eigenschaften des Luftfahrzeugs so stark negativ beeinflussen, dass dies zum Absturz des Luftfahrzeugs führt.
Wolfgang Hassler, Projektleiter von JOICE und Professor am Institut Luftfahrt / Aviation der FH JOANNEUM: „JOICE war ein wegweisendes Projekt, das die Innovationskraft und das Engagement der österreichischen Luftfahrtindustrie unterstrichen hat. Unser Ziel war es, die Sicherheit und Effizienz von Luftfahrzeugen unter Vereisungsbedingungen weiter zu verbessern und gleichzeitig die internationale Sichtbarkeit der österreichischen ‚Vereisungscommunity‘ zu stärken.“
Enteisungssysteme und Datengewinnung im „Icing Wind Tunnel“
Das Konsortium erforschte während der Projektlaufzeit alternative, energiearme Enteisungssysteme. Dazu wurden zum Teil schon existierende Technologien mit solchen, die in JOICE neu entwickelt wurden, zu „hybriden“ Systemen kombiniert. Zu bereits existierender Technologie zählt ein Vibrationssystem, das energiesparend Schwingungen erzeugt, wodurch das Eis an der Vorderseite von Flügeln absplittert. Ein neuer Forschungsansatz, speziell für den hinteren Tragflächenbereich, sind knapp unter der Tragflächenoberfläche angebrachte Heizfolien, die nur kurzfristig eingeschaltet werden. In JOICE wurde ein Gesamtsystem, bestehend aus einem Vibrationssystem für den vorderen Teil des Flügels und einem auf Heizfolien basierenden System für den hinteren Teil des Flügels, entwickelt. Zusätzlich wurden neu entwickelte eisabweisende Beschichtungen auf die Flügeloberfläche aufgebracht, um die Ablösung des Eises zu erleichtern. Schon in Hinblick auf die Zukunft des elektrischen Fliegens wurde von den Projektpartnern besonders auf Energieeffizienz geachtet, um etwa möglichst wenig Batteriekapazität für das Enteisen zu verbrauchen. Insbesondere Drohnen sollen durch neue Enteisungssysteme allwettertauglich werden, beispielsweise, um Einsatzorganisationen Drohnenflüge auch im Winter zu ermöglichen.
„Freezing Rain“
Ein weiteres Projektziel von JOICE war es, die Simulation von Vereisung an Tragflächen und Propellern am Computer weiterzuentwickeln. Dieses Thema wurde unter anderem von der Forschungsgruppe „Luftfahrzeugvereisung“ des Instituts Luftfahrt / Aviation der FH JOANNEUM sowie dem Partner AeroTex intensiv vorangetrieben. Die gewonnenen Daten wurden in einem weiteren Schritt im „Icing Wind Tunnel“, dem Klima-Wind-Kanal von Partner Rail Tec Arsenal (RTA), überprüft. Im Projekt wurden dort auch ein Propellerprüfstand weiterentwickelt sowie extreme Wetterphänomene wie „Freezing Rain“, flüssige Tropfen, deren Temperatur unter null Grad liegt, erforscht. Bei tiefen Temperaturen wurde ebenfalls untersucht, welche Eisformen sich auf unterschiedlichen Tragflächen bilden und wie effizient thermische Enteisung mit den genannten Heizfolien ist. Die Daten werden in einer vom Austrian Institute for Icing Sciences (AIIS) betriebenen Datenbank gespeichert und sollen in Zukunft veröffentlicht werden.
„In den letzten 15 Jahren hat Österreich bemerkenswerte Kompetenzen im Bereich der Luftfahrzeugvereisung und -enteisung entwickelt. Als FFG haben wir eine Vielzahl von Projekten unterstützt, die durch ihre Innovationskraft wesentliche Fortschritte in diesem äußerst sicherheitskritischen Bereich ermöglicht haben“, so Karin Tausz, Geschäftsführerin der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG.
Henriette Spyra, Sektionschefin und Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologie“ im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK): „Mit der Enteisungsstrategie für den österreichischen Luftfahrtsektor 2030+ wurde eine Bündelung der Kompetenzfelder in der luftfahrtbezogenen Ver- und Enteisungsforschung angestrebt, um erhöhte Sichtbarkeit auf europäischer und internationaler Ebene zu erreichen und dadurch die strategische Position des nationalen Stärkefeldes im globalen Forschungs-, Innovations- und Technologiewettbewerb zu verbessern. Mit den von JOICE vorgelegten Forschungsergebnissen sind wir dieser Absicht einen entscheidenden Schritt näher gerückt.“
Weitere Projekte, die auf den Ergebnissen von JOICE aufbauen, befinden sich in der Planungsphase oder sind bereit am Laufen.
Über JOICE
JOICE wurde von einem Konsortium bestehend aus Aerospace & Advanced Composites GmbH, AeroTex GmbH, ATT Advanced Thermal Technologies GmbH, AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Eologix Sensor Technology GmbH, FACC AG, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, CEST Kompetenzzentrum für elektrochemische Oberflächentechnologie GmbH, LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen GmbH, Österreichisches Institut für Vereisungswissenschaften in der Luftfahrt, Rail Tec Arsenal Fahrzeugversuchsanlage GmbH, KANSAI HELIOS Austria GmbH (ehemals Rembrandtin Lack GmbH Nfg), Technische Universität Graz, Seoul National University und Villinger GmbH technisch umgesetzt.
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