Wasserstoffspeicherung, Wärmeleitung, Gasspeicherung, CO2– und Wasserabscheidung – metallorganische Gerüstverbindungen (Metal-Organic Frameworks oder kurz MOFs) haben außergewöhnliche Eigenschaften aufgrund ihrer einzigartigen Struktur in Form von mikroporösen Kristallen, die trotz ihrer geringen Größe eine sehr große Oberfläche aufweisen. Das macht sie für Forschung und praktische Anwendungen äußerst interessant. MOFs sind allerdings sehr komplexe Systeme, deren genaue Simulation bislang nur mit viel Zeit- und Rechenaufwand bewältigbar war. Ein Team um Egbert Zojer vom Institut für Festkörperphysik der TU Graz hat nun mittels maschinellen Lernens diese Simulationen wesentlich verbessert, wodurch die Entwicklung und Anwendung neuartiger MOFs enorm beschleunigt wird. Ihre Methode haben die Forschenden im zu Nature Research gehörenden Fachmagazin npj Computational Materials vorgestellt.
Bisher quantenmechanisch illusorisch
„Für die Simulation gewisser Eigenschaften von MOFs ist es notwendig, riesige Superzellen zu simulieren. Das gilt beispielsweise bei der Berechnung der Wärmeleitung in MOFs, die für fast alle Anwendungen sehr hohe Relevanz hat. Die simulierten Superzellen enthalten oft zehntausende oder sogar hunderttausende Atome. Für diese riesigen Systeme ist es notwendig, die Bewegungsgleichungen fünf bis zehn Millionen Mal zu lösen. Unter Einsatz zuverlässiger, quantenmechanischer Methoden ist es allerdings völlig illusorisch, zehn Millionen Mal die Kräfte zu berechnen, die hunderttausend Atome aufeinander ausüben“, beschreibt Egbert Zojer die Herausforderung, die es zu lösen galt.
Bisher kamen für solche Berechnungen Kraftfelder zum Einsatz, die häufig anhand von Experimenten parametrisiert worden sind. Die mit solchen Kraftfeldern erzielten Ergebnisse erweisen sich in der Regel allerdings als wenig zuverlässig. Durch den Einsatz maschinengelernter Potenziale ändert sich dies nun grundlegend. Diese werden unter Ausnützung eines neu entwickelten Zusammenspiels existierender, teilweise an der Universität Wien entwickelter Algorithmen an quantenmechanische Simulationen angepasst. Zum materialspezifischen maschinellen Lernen der Potenziale müssen die quantenmechanischen Simulationen nur für vergleichsweise wenige und deutlich kleinere Strukturen durchgeführt werden. Dadurch laufen die Berechnungen um viele Größenordnungen schneller und es wird möglich, die Kräfte in den riesigen Superzellen auf modernen Supercomputern viele Millionen Mal zu simulieren. Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass es zu keinem relevanten Verlust an Genauigkeit im Vergleich zu quantenmechanischen Berechnungen kommt.
Effizientere Suche nach den gewünschten Eigenschaften
Für das Beispiel Wärmeleitung von MOFs bedeutet das: Durch die neu entwickelte Simulationsstrategie wird es möglich sein, die relevanten Materialeigenschaften schon vor der Synthese der MOFs zu simulieren und damit zuverlässig maßgeschneiderte Strukturen am Computer zu entwickeln. Für die Forschung an komplexen Materialien stellt dies einen großen Sprung nach vorn dar, der es Forschenden beispielsweise erlauben wird, das Zusammenspiel der Metalloxidknoten und der halbleitenden organischen Linker für den Wärmetransport zu optimieren. So wird es auch einfacher, komplexe Herausforderungen zu überwinden. So müssen MOFs je nach Anwendungsfall beispielsweise gute oder schlechte Wärmeleitfähigkeiten aufweisen.
Ein Wasserstoffspeicher etwa muss Wärme gut ableiten können, während in thermoelektrischen Anwendungen gute elektrische Leitung mit möglichst geringer Wärmeableitung kombiniert werden soll. Neben der Simulation der Wärmeleitfähigkeit sind die neuen, maschinengelernten Potenziale auch ideal zur Berechnung anderer dynamischer und struktureller Eigenschaften von MOFs geeignet: Dies umfasst unter anderem kristallographische Strukturen, elastische Konstanten, Schwingungsspektren sowie Phononen, die für die thermische Stabilität von MOFs und für ihre Ladungstransporteigenschaften eine entscheidende Rolle spielen.
Quantitativ zuverlässige Zahlen
„Wir haben jetzt Tools, von denen wir wissen, dass sie uns auf unglaublich effiziente Art und Weise quantitativ zuverlässige Zahlen liefern. Damit können wir in den Simulationen systematisch die Strukturen der MOFs verändern und uns gleichzeitig sicher sein, dass die Simulation der Eigenschaften der neuen Materialien auch akkurat sein werden. Dies wird es uns erlauben, kausalitätsbasiert zu verstehen, welche Veränderungen der atomistischen Struktur die gewünschten Effekte generieren“, sagt Egbert Zojer, der von Forschungsgruppen in München und Bayreuth weiß, dass sie die neue Simulationsstrategie trotz ihrer erst kürzlichen Veröffentlichung bereits aufgegriffen haben.
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Advanced Materials Science“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
(Quelle: TU Graz, Medienservice)